Agitprop in Ottakring!
Mai 2018

Die Happy Few zeigen Agitprop in Ottakring! am 4. Mai 2018 auf dem Urban Bloom Festival. Mit der Theateraktion feiert das dreiwöchige Wiener Kunst- und Kulturfestival seinen Festivalabschluss.

Mit Agitprop in Ottakring! intervenieren Die Happy Few im öffentlichen Raum des 16. Bezirks von Wien. Die 30-minütige Intervention propagiert eine zeitgemäße, libertäre Selbstermächtigung und die realutopische Neugestaltung der Lebenswelt. Dazu kommt das Kollektiv mit Bewohner*innen des Bezirks ins Gespräch und entwickelt hieraus Forderungen.

Das Megaphon

Ob Kunst die Welt unmittelbar verändern kann, ist fraglich. Zweifelsohne kann Kunst Menschen anrufen, ihre Lebenswelt eigenmächtig und selbstbestimmt zu gestalten. Denn die Bewohner*innen eines Wiener Bezirks wissen, was für sie am besten ist. Um eine eigenmächtige Veränderung des Bezirks durch seine Bewohner*innen zu initiieren, interveniert die Theateraktion überraschend an einem Ort des öffentlichen Lebens.

Agitprop in Ottakring! ist das Medium eines selbstermächtigten Handelns. Die Theaterform des Agitprops ist dafür das geeignete Megaphon. Das Agitprop ist für jede*n gemacht und kann von jeder*m gemacht werden. Finde deinen Weg! Wolle alles! Vorwärts!

Weitere Informationen zum Urban Bloom Festival 2018.

Die Intervention

„Du forderst Nachhaltigkeit, Autarkie, Arbeit ohne Ausbeutung.
Du forderst Nachbarschaftszentren überall.
Du forderst die Umverteilung des Kapitals, Wohnen umsonst, Stärkung der lokalen Kreisläufe.
Vor uns liegt das beste Leben.
Auf die beste Welt bewegen wir uns in der Praxis zu.“

Mitschnitt der Eröffnung

Agitprop in Ottakring! ist eine Weiterentwicklung von Agitprop für alle!, das zur Bundestagswahl 2017 aufgeführt wurde. Mit Agitprop für alle! intervenierten Die Happy Few deutschlandweit auf Wahlkundgebungen der etablierten Parteien von DIE LINKE bis zur AfD – spontan, ungefragt, ohne offizieller Programmpunkt der Wahlveranstaltungen zu sein. 

Weitere Informationen zur Revitalisierung des Agitprop-Theaters.

Das Interview

„Der Kosmos widerspricht dem Stillstand“

Auf dem Urban Bloom Festival in Wien sprechen Die Happy Few über ihre neueste Arbeit Agitprop in Ottakring!

Eure Theateraktion heißt Agitprop in Ottakring!. Was kann ich mir darunter vorstellen?

DIE HAPPY FEW Agitprop in Ottakring! ist eine Intervention im öffentlichen Raum. Wir wurden vom Urban Bloom Festival eingeladen, die Bewohner des 16. Bezirks von Wien mit unserem Agitprop-Theater anzurufen und sie in ihrer libertären und lokalen Selbstermächtigung zu unterstützen. Wir treffen die Leiterinnen der Nachbarschafts-zentren, kommen mit den lokalen Unternehmer*innen und Bewohner*innen ins Gespräch und leiten daraus Forderungen ab. Diese Forderungen propagieren wir in unserer Theateraktion. Wir kreieren im öffentlichen Raum eine symbolische Setzung der Real-Utopie. 

Was heißt Propaganda im Kontext eures Theaters?

DIE HAPPY FEW Schauen wir uns Agitprop in Ottakring! an, dann bedeutet es konkret, aus den Gesprächen mit den Menschen vor Ort Forderungen für eine sozialökonomische Transformation abzuleiten. Wir sprechen diese Forderungen auf der Bühne aus, stoßen Selbstermächtigung an und wollen die Ottakringer*innen in ihren genuinen Praktiken bestärken. Weitere Ebenen sind Werbung und politische Hegemonie. Beide verstellen und deformieren Vorstellungen von einem anderen realutopischen Leben. Dieses realutopische Leben kommt weder in einer individualistischen Blase isoliert daher, noch will es die Sehnsucht nach dem Utopischen durch den schönen Schein von etwas anderem abspeisen. Propaganda in ihrer politischen und ökonomischen Dimension ist kein Spiel. Akteure der Propaganda wissen ganz genau um die Wirkungsmacht ästhetischer Mittel, wie Denkprozesse und Haltungen hervorzubringen sind. Politik und Ökonomie nutzen Propaganda dafür Hegemonien zu zementieren, Denkräume und Handlungsebenen zu formatieren. Das kann dystopisch so weit gehen, Geschichte als solche umzuschreiben oder zu behaupten, diese sei an ihr Ende gekommen. Das hieße politischer Stillstand, eine – metaphorisch gesprochen – hegemoniale Ewigkeit. Nebenbei widerspricht der Kosmos in seinen Naturgesetzen einer solchen geschichtlichen Annahme. 

Pfau-Plakat und Porträts des Grauens

Also Gegenpropaganda?

DIE HAPPY FEW: Genau. Kritisch gesehen bedeutet Agitprop temporär Gegenpropaganda. Temporär, weil es nicht reicht bei einer Negation stehenzubleiben. Es bedarf aber einer Negation, damit sich ein neues Dafür absetzen kann vom gegenwärtigen Konsens. Grundsätzlich steht das Agitprop für Selbstermächtigung, realutopische Praktiken und gesellschaftliche Umwälzungen. Auf diese Aspekte weisen wir durch den Lautsprecher unseres Theaters hin. 

Das hört sich auch anstrengend an. Heute gibt es herrliches Wetter. Sollte man da nicht besser auf der Donauinsel liegen und sonnenbaden?

DIE HAPPY FEW: Selbstverständlich. Wie Robert Pfaller richtig sagt, ist das gute Leben nicht der Feind, sondern die Beute. Das gute Leben besteht neben Genuss und Charme auch aus Komplexität. Wer jetzt lebt, führt unweigerlich ein komplexes Leben. Diese Komplexität ist eine Herausforderung und jede*r trägt in sich das Bedürfnis, sich dieser Herausforderung zu stellen. Zugleich in dieser Komplexität zu denken und zu lieben, politisch zu sein und sich frei auszudrücken, zugleich spirituell und materialistisch zu leben. Also ein Leben zu führen, in dem die Widersprüche zu ihrer Geltung kommen, anstatt sie zu Gunsten einer Identität zu unterdrücken. Gerade in der Kunst kann alles sofort realisiert werden. Für uns nun meint Kunst zu machen Theater zu produzieren. Wir haben an Kunsthochschulen studiert. Wir verfolgen ein Theater in der Tradition dessen, was die Institution der Kunsthochschule nach dem Zweiten Weltkrieg vermittelt und oft als Postavantgarde umschrieben wird. Konkret: De-Professionalisierung und Autonomie.

Unter Autonomie kann ich mir etwas vorstellen. Aber was soll das heißen: De-Professionalisierung?

DIE HAPPY FEW: Professionelle Kunst verfolgt das Ziel der handwerklichen Perfektion, der maximalen Aufmerksamkeit oder des maximalen Profits. Die De-Professionalisierung hingegen meint ein künstlerisches Verfahren die Kunst von diesen Leistungsmaximen zu befreien und sie aus einem elitären Raum in einen egalitären zu überführen. Denn künstlerisch Tätigsein ist ein menschliches Grundbedürfnis. Auch kann jede*r Kunst. Wir erhoffen uns, dass die Leute, die dann unsere Arbeit sehen, sagen „Das kann jedes Kind!“ und deshalb selber anfangen, Kunst zu machen. Ob es dann Theater sein soll, sei jeder*m selber überlassen.

Dank euch!

DIE HAPPY FEW: Immer wieder gern. 

Die Happy Few
„Agitprop in Ottakring!“ 
Freitag, 4. Mai 2018, 18.30 Uhr
Haberlgasse / Friedmanngasse, 1160 Wien
Urban Bloom Festival 2018
Konzept und Produktion: Die Happy Few

Gefördert von Urban Bloom, das Programm SHIFT und Basis.Kultur.Wien

Mit: Damian Maria Domes, Nastassja Klee, Steffen Neupert, Corinne Schlichting, Friedrich Schmidt, David Schnaegelberger, Patrick Schneider, Liza Wiegand und Justus Wilcken

Termine

Kein Gott, kein Staat, kein Arbeitsvertrag.

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